Wie weit gehen Sie, um beliebt zu sein? Letzte Woche hatte ich eine Coachingsitzung mit einer Assistentin – Mitte 50, verheiratet, vier Kinder von 14 bis 20 und fast Vollzeit arbeitend.
Thema: Sie gibt alles, macht Überstunden, zerreißt sich zwischen Familie und Job – und wird damit niemandem wirklich gerecht. Und am wenigsten sich selbst – war mein Gedanke. Dann flossen die Tränen.
Sie sorgt sich immer um andere. Harmonie ist ihr außerordentlich wichtig und ein Nein kommt ihr fast nie über die Lippen. Egal ob es die ständige Hilfe für die Kollegin ist, der Chef dauernd möchte, dass sie ohne Bezahlung länger bleibt oder die große Familienfeier mit 28 Personen bei sich daheim ist. Ihre Meinung tut sie selten und wenn, dann nur sehr leise mal kund.
Wir haben zuerst ihre Antreiber (kommt aus der Transaktionsanalyse) herausgefunden: Die waren „Sei gefällig“ und „Sei perfekt“ – sehr häufige „Frauen-Antreiber“. Nur am Rande: Die Männer haben häufig den Antreiber „Sei stark“.
Woher kommen diese Muster, die uns das Leben häufig so schwer machen? Kein Mensch kann ganz allein für sich existieren und wenn wir bedenken, dass kein Neugeborenes allein überleben kann, ist klar, dass jeder Mensch auf Gemeinschaft angewiesen ist. Ganz früher bedeutete von der Gemeinschaft verstoßen zu werden den sicheren Tod. Das Gehirn, das wir zwischen unseren beiden Ohren tragen, hat sich seit jener Zeit nicht so gravierend verändert. Vermutlich ist deswegen das Bestreben nach Anerkennung so groß.
Jeder von uns hat deshalb schon einmal gegen seine Prinzipien, gegen seine Überzeugung und sein Bauchgefühl gehandelt. Viele Menschen geben sich sogar komplett auf, verbiegen sich, um die Anerkennung anderer zu bekommen. Kurzfristig erreichen sie dadurch Zuspruch. Auf lange Sicht verlieren sie sich aber selbst.
Dagegen hilft zunächst erstmal, das Muster zu erkennen und dann konsequent zu üben. Zum Beispiel das Nein-Sagen zu üben oder mal gegen den Strom zu schwimmen. In der Regel passiert dann gar nichts Schlimmes. Und diejenigen, die auch mal Grenzen setzen, bekommen eher mehr Respekt als die, die alles tun, um die Harmonie nicht zu gefährden. Und je öfter wir die Erfahrung machen, dass unsere Befürchtungen gar nicht eintreten, umso leichter fällt es uns, das neue Verhalten beizubehalten.
Das wird meine Coachee nun die nächsten Wochen üben. Hausaufgabe ist: Mindestens ein Nein pro Tag. Da gibt es viele wertschätzende Möglichkeiten, die wir miteinander erarbeitet haben und die sie über die Lippen bringen kann. Wir haben nun alle 14 Tage einen Call und sie berichtet, was sich verändert.
Erfolg und Zufriedenheit hat viel damit zu tun, seinen eigenen Weg zu gehen. Wir leben besser, authentischer und erfolgreicher, wenn wir uns trauen zu unserer Meinung zu stehen.
Nicht mehr Everybody’s Darling zu sein befreit!